Seit dem 23. Februar 2023 gibt es in Deutschland mit dem „Cell Broadcast“-Dienst ein neues System, dass die Bevölkerung vor Kata-strophen und anderen Notfällen warnt. Eine derartige Nachricht erscheint automatisch auf Mobiltelefonen, begleitet von Vibrationen und einem lauten Signalton.
Der große Vorteil dieser Methode besteht darin, dass es nicht nötig ist, eine App auf dem Smartphone zu installieren oder über eine aktive Internet-Verbindung verfügen zu müssen. Denn das Übermitteln der Warnnachrichten erfolgt über das Mobilfunknetz per SMS. Anders als die gewohnten SMS-Nachrichten sind die Cell-Broadcast-Nachrichten jedoch nicht an einzelne Empfänger gerichtet, sondern erreichen alle Mobiltelefone, die sich in einer bestimmten Funkzelle befinden. Auf diese Weise lassen sich erstens sehr viele Mobiltelefone gleichzeitig erreichen, ohne dass es zu einem Nachrichtenstau kommt.
Zweitens ist es dadurch möglich, die Warnnachrichten auf bestimmte Gebiete zu beschränken. Vom Auslösen eines Alarms bis zum Erscheinen der Warnungen auf den Mobiltelefonen im betroffenen Gebiet vergehen maximal 30 Sekunden.
Eingebunden sind die Cell-Broadcast-Nachrichten in das vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) entwickelte Modulare Warnsystem (MoWaS). Als weitere Übermittlungskanäle für Warnnachrichten verwendet dieses System Radio- und Fernsehsender, eine Web-Site (warnung.bund.de/meldungen), diverse Smartphone-Apps, digitale Stadtinformationstafeln, Fahrgastinformationssysteme und Sirenen. Zugang zu dem Warnsystem haben ausschließlich Behörden des Bundes, der Länder und der Kommunen.
Flutkatastrophe als Motivation
Auslöser für die Entscheidung, das MoWaS um Cell-Broadcast-Nachrichten zu ergänzen, war einerseits der pannenreiche Warntag im September 2020. Und andererseits die Erfahrungen während des Hochwassers im Juli 2021: „Mit der Flutkatastrophe im Ahrtal wurde klar, dass die Warninfrastruktur in Deutschland den Anforderungen einer flächendeckenden Warnung nicht mehr gerecht wird“, erläutert Leon Eckert, Mitglied im Ausschuss für Inneres und Heimat. „Die Einführung von Cell Broadcast stellt eine wichtige Erweiterung für einen modernen Warnmix dar. Neben der Warnung über Sirenen, Apps, Radio und Fernsehen erreicht Cell Broadcast die Menschen direkt, ohne dass sie eine App installieren oder Radio und Fernsehen bedienen müssen.“
Zum ersten Mal in das MoWaS einbezogen wurde der Cell-Broadcast-Dienst beim Warntag im Dezember 2022, der weitaus erfolgreicher ablief als sein Vorgänger.
Voraussetzungen
Damit ein Mobiltelefon Cell-Broadcast-Nachrichten empfangen kann, muss es eingeschaltet sein, über eine aktivierte SIM-Karte verfügen und darf sich nicht im Flugmodus befinden. Zudem sollten die aktuellen Betriebssystem-Updates installiert sein.
Bei Smartphones ab Android 11 und iOS 15.6.1 ist der Cell-Broadcast-Empfang bereits eingeschaltet. Bei älteren Geräten müssen Sie das unter Umständen von Hand erledigen (siehe Kasten „Einstellungen“).
Auch Mobiltelefone, die nicht smart sind, können prinzipiell Cell-Broadcast-Nachrichten empfangen. Allerdings nicht alle Modelle. Leider enthalten die Anleitungen der Handys oft keine Informationen zu diesem Thema. Meist hilft es jedoch, in einer Suchmaschine den Modellnamen des Handys zusammen mit dem Begriff „Cell Broadcast“ einzugeben, um Auskunft über seine diesbezüglichen Fähigkeiten zu bekommen.
Datenschutz
Um den Datenschutz muss man sich beim Cell-Broadcast-Dienst keine Sorgen machen: Die Warnmeldungen werden an alle empfangsbereiten Mobiltelefone im betroffenen Gebiet ausgesendet, ohne dass die Behörden oder der Mobilfunkanbieter Informationen darüber erhalten, welche Geräte die Meldungen tatsächlich empfangen haben. Auch die Standortdaten der Empfänger werden daher nicht auf irgendeine Art und Weise übermittelt.
Wie kann man sich sicher sein, dass eine Warnmeldung echt ist? Zum ersten haben ausschließlich Behörden des Staats, der Länder und der Kommunen Zugang zu dem Warnsystem. Zum zweiten enthält jede Warnmeldung einen Absender. Das BBK räumt jedoch ein, dass die eindeutige Authentifizierung des Absenders „bei Cell Broadcast-Nachrichten für die Empfängerinnen und Empfänger schwer nachvollziehbar“ sei. Im Zweifelsfall ist es daher ratsam, im Bundeswarnportal (warnung.bund.de) nachzuschauen, ob die Warnmeldung auch dort auftaucht.
Knappe Warnungen
Eine Cell-Broadcast-Warnung enthält Informationen über die Art der Gefahr sowie kurze Handlungsempfehlungen. Allerdings ist eine Warnung auf lediglich 500 Zeichen begrenzt und kann keine Bilddaten enthalten. Das BBK rät daher dazu, sich nach Möglichkeit zusätzlich über andere Warnkanäle wie die Warn-App NINA, lokale Radiosender und das Bundeswarnportal (warnung.bund.de) zu informieren.
Über diese Gefahren informiert das Modulare Warnsystem die Bevölkerung:
- Naturgefahren
- Gefährliche Wetterlage
- Waffengewalt und Angriffe
- Unfälle in Chemiebetrieben
- Störungen des Verkehrs
- Ausfall der Versorgung (Strom, Gas, Wasser, Telekommunikation, …)
- Krankheitserreger
- Radioaktivität
- Feuer (großflächige Brände)
Eine weitere Einschränkung: Über Cell Broadcast werden derzeit noch keine Entwarnungen versendet. In Zukunft wird sich das laut BBK jedoch möglicherweise ändern.
Einstellungen
In den Einstellungen Ihres Smartphones können Sie das Empfangen von Cell-Broadcast-Nachrichten ein- und ausschalten:
iPhone
Auf dem iPhone tippen Sie in den Einstellungen auf die Schaltfläche „Mitteilungen“. Im Fenster „Mitteilungen“ scrollen Sie ganz nach unten bis zum Bereich „Cell Broadcast-Warnungen“, wo Sie dann die verschiedenen Arten von Warnungen ein- und ausschalten können.
Android
Auf Android-Smartphones gibt es wie so oft verschiedene Wege, je nach Hersteller und Modell. Meist kommen Sie jedoch zum Ziel, indem Sie in das Suchfeld der Einstellungen den Begriff „Notfall“ eingeben.
Sie erhalten dann in den Suchergebnissen die gewünschte Einstellung aufgelistet, die einen Namen wie „Notfallwarnungen“, „Notfallbenachrichtigungen“ oder „Notfallbenachrichtigungen für Mobilgeräte“ trägt. Tippen Sie sie an, um zu einem Fenster zu gelangen, in dem Sie die Benachrichtigungen generell ein- und ausschalten können oder aber lediglich bestimmte Arten von Benachrichtigungen.
Über die Schaltfläche „Notfallbenachrichtigungsverlauf“ (oder „Bisherige Notfallbenachrichtigungen“ oder einfach nur „Notfallbenachrichtigungen“) können Sie sich die bisher empfangenen Benachrichtigungen anzeigen lassen.
So funktioniert es
Wenn eine Behörde des Bundes, der Länder oder der Kommunen über das Modulare Warnsystem einen Alarm auslöst, dann dauert es höchstens 30 Sekunden, bis der Warnhinweis auf den Mobiltelefonen im betroffenen Gebiet eintrifft.
Erster Ernstfall
Zum ersten Mal zum praktischen Einsatz kam der Cell-Broadcast-Dienst schon am 25. Februar: Die Behörden der Hansestadt Lübeck warnten die Bevölkerung um 8:42 Uhr morgens vor einer akuten Gefahr durch Hochwasser – sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache.
Cell Broadcast in Österreich und der Schweiz
Im März 2023 ist in Österreich die „Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die technische Ausgestaltung eines öffentlichen Warnsystems“ in Kraft getreten, die auch in der Alpenrepublik die Mobilfunkbetreiber verpflichtet, Warnmeldungen des Bundes und der Länder über „größere Notfälle und Katastrophen“ per Cell Broadcast an die Handy-Benutzer zu übermitteln.
Wann genau dies allerdings Wirklichkeit werden wird, das ist noch nicht klar. Die Mobilfunkbetreiber schätzen, dass von der endgültigen Klärung der technischen Details durch die Behörden bis zur vollständigen flächendeckenden Inbetriebnahme des Dienstes neun bis achtzehn Monate vergehen werden.
Auch die Schweiz wird voraussichtlich in Zukunft das Cell-Broadcast-System für Warnungen an ihre Bürger verwenden. Das entsprechende Gesetz muss jedoch noch die letzten politischen Hürden überwinden.
Cell Broadcast in den USA
In den USA ist der Cell-Broadcast-Dienst schon seit 2019 Teil des Emergency Alert System. Dabei handelt es sich um ein nationales öffentliches Warnsystem, das von Bundes-, Landes- und Kommunalbehörden genutzt wird, um wichtige Notfallinformationen wie Wetterwarnungen und Vermisstenmeldungen an die Bewohner der jeweils betroffenen Gebiete zu übermitteln.
Alternative: Warn-App NINA
Ausführlichere Informationen als über Cell-Broadcast-Warnungen erhalten Sie mittels der Warn-App NINA vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Die App berücksichtigt Ihren gegenwärtigen Aufenthaltsort, kann aber zusätzlich auch Warnungen für andere Orte anzeigen, die Sie ausgewählt haben.
13 Millionen Anwender haben die App nach Angaben des Herstellers bereits installiert. Sie ist sowohl für Android als auch für iOS kostenlos erhältlich ▸ bkk.bund.de